Lea Heidbreder: „Die letzte BAföG-Reform war ein wichtiger erster Schritt – etwa mit dem Flexibilitätssemester und der Studienstarthilfe. Doch die Zahlen zeigen: Die Trendwende ist noch nicht geschafft. Wenn BAföG wieder ein verlässliches Förderinstrument für viele werden soll, braucht es weitere, umfassendere Reformen.“
BAföG kurz erklärt – Zweck, Geschichte, Entwicklung
BAföG (Bundesausbildungsförderungsgesetz) ist die bundeseinheitliche Ausbildungsförderung für Schüler:innen und Studierende – mit dem Ziel, Bildungschancen vom Einkommen der Eltern zu entkoppeln. Seit dem 1. September 1971 gilt: Wer die fachliche Eignung mitbringt, soll nicht an finanziellen Hürden scheitern. Historisch startete das System als Vollzuschuss, wurde 1982 kurzzeitig zum Volldarlehen und 1990 auf das bis heute gültige Mischmodell umgestellt: ein Anteil Zuschuss, ein Anteil zinsloses Darlehen mit begrenzter Rückzahlung. Dieses Modell hat Millionen Bildungsbiografien ermöglicht – zugleich zeigt die Entwicklung der Empfänger:innenquoten seit den 2000er-Jahren, dass die ausgebliebenen Reformen, z. B. mit Blick auf Freibeträge und Höchstsätze, die Reichweite und die Wirksamkeit des BAföG zusehends geschmälert haben. Während ein Jahr nach der Einführung im Jahr 1972 noch 44 Prozent der Studierenden BAföG bezogen, bewegt sich der Anteil im Jahr 2025 nur noch bei 15 Prozent.
Wer hat Anspruch?
Anspruch auf BAföG haben in der Regel Studierende an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen sowie Schüler:innen, die eine schulische Ausbildung absolvieren. Die Förderung ist einkommens- und vermögensabhängig: Eigene Einkünfte und Vermögen sowie das Einkommen der Eltern werden angerechnet, es sei denn, es greifen Tatbestände für elternunabhängiges BAföG (z. B. mehrjährige Erwerbstätigkeit vor Studienbeginn oder bestimmte Qualifikationswege). Hinzu kommen formale Voraussetzungen: ein anerkannter Aufenthaltsstatus (u. a. deutsche Staatsangehörigkeit, EU-Freizügigkeit oder bestimmte dauerhafte Aufenthaltstitel), der fristgerechte Leistungsnachweis ab dem fünften Fachsemester sowie die Einhaltung der Altersgrenzen beim Studienbeginn (mit Ausnahmen, etwa bei Kindererziehung, Pflege oder Qualifikationswechsel).
Soziale Öffnung ist begonnen – aber unvollendet
Lea Heidbreder: „Bildungsgerechtigkeit darf nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern. Die Studienstarthilfe, für deren Einführung wir GRÜNEN uns erfolgreich stark gemacht haben, ist neben dem BAföG ein weiteres wichtiges Instrument für mehr soziale Durchlässigkeit in der Bildung.“
Die bisherigen Anpassungen verbessern den Zugang, doch ohne weitere Schritte bleibt das BAföG für viele zu wenig verlässlich – insbesondere mit Blick auf hohe Wohnkosten in Hochschulstädten und die soziale Absicherung im Studium.
Lea Heidbreder: „Noch immer leben viele Studierende in prekären Verhältnissen. Wir brauchen deshalb auf Bundesebene eine grundlegende Reform hin zu einem elternunabhängigen und existenzsichernden BAföG.“
Wohnen: Engpass Nummer eins
Seit Einführung des BAföG 1971 ist der Anteil der Wohnkosten an den monatlichen Gesamtausgaben von Studierenden in Deutschland – und damit auch in Rheinland-Pfalz – kontinuierlich gestiegen. Wohnen ist heute einer der größten Belastungsfaktoren des Studiums.
Über mehr als fünf Jahrzehnte hat sich der Anteil der Miete am Studierendenbudget von rund 19 Prozent im Jahr 1971 auf über 50 Prozent in den Jahren 2024/25 erhöht – und damit den größten Einzelposten im Monatsbudget eingenommen. Während sich die allgemeinen Lebenshaltungskosten seit 1971 etwa verdreifacht haben, sind die Wohnkosten in typischen Hochschulstädten deutlich stärker gestiegen. Die Miete frisst einen immer größeren Teil des verfügbaren Geldes. Gleichzeitig bleibt die BAföG-Wohnpauschale zurück: Seit 2024 liegt sie bei 380 Euro, während die durchschnittlichen studentischen Wohnkosten 2024 bei etwa 493 Euro lagen und 2025 WG-Zimmer im Mittel um 500 Euro kosten. Diese Lücke wirkt sich unmittelbar auf den Studienalltag aus. Viele Studierende arbeiten mehr Stunden neben dem Studium, was Lernzeit und Studienerfolg schmälert; bereits 2022 gaben über zwei Drittel an, dass hohe Mieten ihre Studienortwahl einschränken. Parallel steigt der Anteil derjenigen, die bei den Eltern wohnen – von rund 24 Prozent im Jahr 2000 auf über 30 Prozent im Jahr 2023. (Grundlage: DSW-Sozialerhebungen, MLP-Studentenwohnreport 2025, Moses-Mendelssohn-Institut, Bundesstatistik)
Die Lage in Rheinland-Pfalz
Rheinland-Pfalz folgt dem bundesweiten Trend: In Hochschulstandorten wie Mainz, Trier, Koblenz, Kaiserslautern oder Landau belasten Mieten das Studierendenbudget überdurchschnittlich. Die Landesregierung bewertet die Wohnpauschale in den Hochschulstädten als nicht auskömmlich; die durchschnittlichen studentischen Mieten liegen über der Pauschale – der finanzielle Spielraum bleibt dadurch begrenzt. (Drs. 18/12147; vgl. DSW, MLP 2025, MMI, Bundesstatistik)
Datenquellen: Deutsches Studierendenwerk (Sozialerhebungen), MLP-Studentenwohnreport 2025, Moses-Mendelssohn-Institut (MMI), amtliche Bundesstatistik.
Was jetzt zu tun ist: Konkreter Reformbedarf
- Wohnkosten realitätsnah abbilden. Dr. Lea Heidbreder fordert, die BAföG-Wohnpauschale an die realen Mietkosten vor Ort zu koppeln: „In Hochschulstädten wie Mainz, Trier oder Landau reicht die Wohnkostenpauschale des BAföG hinten und vorne nicht. Die Wohnpauschale muss sich endlich an den realen Mietkosten vor Ort orientieren.“ Ziel ist eine Pauschale, die die tatsächlichen Mieten in Hochschulstädten abdeckt.
- Elternunabhängigkeit stärken. Heidbreder appelliert an die Bundesebene, „ein elternunabhängiges und existenzsicherndes BAföG“ einzuführen. Damit soll die Förderung auch diejenigen erreichen, die trotz formaler Anrechnung elterlichen Einkommens faktisch nicht ausreichend unterstützt werden.