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BAföG in Rheinland-Pfalz: Reicht die Reform – oder braucht es mehr?

Zum Wintersemester 2024/2025 hat die Bundesregierung das BAföG novelliert. Auch auf Rheinland-Pfalz haben sich die Verbesserungen positiv ausgewirkt – etwa mit Flexibilitätssemester, höheren Bedarfssätzen, angehobenen Freibeträgen und der neuen Studienstarthilfe. Doch die Antwort des Wissenschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der GRÜNEN Abgeordneten Dr. Lea Heidbreder zeigt: Von einer echten Trendwende kann bislang keine Rede sein.

Lea Heidbreder: „Die letzte BAföG-Reform war ein wichtiger erster Schritt – etwa mit dem Flexibilitätssemester und der Studienstarthilfe. Doch die Zahlen zeigen: Die Trendwende ist noch nicht geschafft. Wenn BAföG wieder ein verlässliches Förderinstrument für viele werden soll, braucht es weitere, umfassendere Reformen.“

BAföG kurz erklärt – Zweck, Geschichte, Entwicklung

BAföG (Bundesausbildungsförderungsgesetz) ist die bundeseinheitliche Ausbildungsförderung für Schüler:innen und Studierende – mit dem Ziel, Bildungschancen vom Einkommen der Eltern zu entkoppeln. Seit dem 1. September 1971 gilt: Wer die fachliche Eignung mitbringt, soll nicht an finanziellen Hürden scheitern. Historisch startete das System als Vollzuschuss, wurde 1982 kurzzeitig zum Volldarlehen und 1990 auf das bis heute gültige Mischmodell umgestellt: ein Anteil Zuschuss, ein Anteil zinsloses Darlehen mit begrenzter Rückzahlung. Dieses Modell hat Millionen Bildungsbiografien ermöglicht – zugleich zeigt die Entwicklung der Empfänger:innenquoten seit den 2000er-Jahren, dass die ausgebliebenen Reformen, z. B. mit Blick auf Freibeträge und Höchstsätze, die Reichweite und die Wirksamkeit des BAföG zusehends geschmälert haben. Während ein Jahr nach der Einführung im Jahr 1972 noch 44 Prozent der Studierenden BAföG bezogen, bewegt sich der Anteil im Jahr 2025 nur noch bei 15 Prozent.

Wer hat Anspruch?

Anspruch auf BAföG haben in der Regel Studierende an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen sowie Schüler:innen, die eine schulische Ausbildung absolvieren. Die Förderung ist einkommens- und vermögensabhängig: Eigene Einkünfte und Vermögen sowie das Einkommen der Eltern werden angerechnet, es sei denn, es greifen Tatbestände für elternunabhängiges BAföG (z. B. mehrjährige Erwerbstätigkeit vor Studienbeginn oder bestimmte Qualifikationswege). Hinzu kommen formale Voraussetzungen: ein anerkannter Aufenthaltsstatus (u. a. deutsche Staatsangehörigkeit, EU-Freizügigkeit oder bestimmte dauerhafte Aufenthaltstitel), der fristgerechte Leistungsnachweis ab dem fünften Fachsemester sowie die Einhaltung der Altersgrenzen beim Studienbeginn (mit Ausnahmen, etwa bei Kindererziehung, Pflege oder Qualifikationswechsel).  

Soziale Öffnung ist begonnen – aber unvollendet

Lea Heidbreder: „Bildungsgerechtigkeit darf nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern. Die Studienstarthilfe, für deren Einführung wir GRÜNEN uns erfolgreich stark gemacht haben, ist neben dem BAföG ein weiteres wichtiges Instrument für mehr soziale Durchlässigkeit in der Bildung.“

Die bisherigen Anpassungen verbessern den Zugang, doch ohne weitere Schritte bleibt das BAföG für viele zu wenig verlässlich – insbesondere mit Blick auf hohe Wohnkosten in Hochschulstädten und die soziale Absicherung im Studium.

Lea Heidbreder: „Noch immer leben viele Studierende in prekären Verhältnissen. Wir brauchen deshalb auf Bundesebene eine grundlegende Reform hin zu einem elternunabhängigen und existenzsichernden BAföG.“

Wohnen: Engpass Nummer eins  

Seit Einführung des BAföG 1971 ist der Anteil der Wohnkosten an den monatlichen Gesamtausgaben von Studierenden in Deutschland – und damit auch in Rheinland-Pfalz – kontinuierlich gestiegen. Wohnen ist heute einer der größten Belastungsfaktoren des Studiums.

Über mehr als fünf Jahrzehnte hat sich der Anteil der Miete am Studierendenbudget von rund 19 Prozent im Jahr 1971 auf über 50 Prozent in den Jahren 2024/25 erhöht – und damit den größten Einzelposten im Monatsbudget eingenommen. Während sich die allgemeinen Lebenshaltungskosten seit 1971 etwa verdreifacht haben, sind die Wohnkosten in typischen Hochschulstädten deutlich stärker gestiegen. Die Miete frisst einen immer größeren Teil des verfügbaren Geldes. Gleichzeitig bleibt die BAföG-Wohnpauschale zurück: Seit 2024 liegt sie bei 380 Euro, während die durchschnittlichen studentischen Wohnkosten 2024 bei etwa 493 Euro lagen und 2025 WG-Zimmer im Mittel um 500 Euro kosten. Diese Lücke wirkt sich unmittelbar auf den Studienalltag aus. Viele Studierende arbeiten mehr Stunden neben dem Studium, was Lernzeit und Studienerfolg schmälert; bereits 2022 gaben über zwei Drittel an, dass hohe Mieten ihre Studienortwahl einschränken. Parallel steigt der Anteil derjenigen, die bei den Eltern wohnen – von rund 24 Prozent im Jahr 2000 auf über 30 Prozent im Jahr 2023. (Grundlage: DSW-Sozialerhebungen, MLP-Studentenwohnreport 2025, Moses-Mendelssohn-Institut, Bundesstatistik)

Die Lage in Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz folgt dem bundesweiten Trend: In Hochschulstandorten wie Mainz, Trier, Koblenz, Kaiserslautern oder Landau belasten Mieten das Studierendenbudget überdurchschnittlich. Die Landesregierung bewertet die Wohnpauschale in den Hochschulstädten als nicht auskömmlich;  die durchschnittlichen studentischen Mieten liegen über der Pauschale – der finanzielle Spielraum bleibt dadurch begrenzt. (Drs. 18/12147; vgl. DSW, MLP 2025, MMI, Bundesstatistik)

Datenquellen: Deutsches Studierendenwerk (Sozialerhebungen), MLP-Studentenwohnreport 2025, Moses-Mendelssohn-Institut (MMI), amtliche Bundesstatistik.

Was jetzt zu tun ist: Konkreter Reformbedarf

  1. Wohnkosten realitätsnah abbilden. Dr. Lea Heidbreder fordert, die BAföG-Wohnpauschale an die realen Mietkosten vor Ort zu koppeln: „In Hochschulstädten wie Mainz, Trier oder Landau reicht die Wohnkostenpauschale des BAföG hinten und vorne nicht. Die Wohnpauschale muss sich endlich an den realen Mietkosten vor Ort orientieren.“ Ziel ist eine Pauschale, die die tatsächlichen Mieten in Hochschulstädten abdeckt.
  2. Elternunabhängigkeit stärken. Heidbreder appelliert an die Bundesebene, „ein elternunabhängiges und existenzsicherndes BAföG“ einzuführen. Damit soll die Förderung auch diejenigen erreichen, die trotz formaler Anrechnung elterlichen Einkommens faktisch nicht ausreichend unterstützt werden. 

FAQ

BAföG steht für Bundesausbildungsförderungsgesetz

BAföG ist die bundesweite Ausbildungsförderung für Schüler und Studierende. Ziel: Zugang zu Bildung unabhängig vom Einkommen der Eltern.

In der Regel Vollzeit-Studierende an staatlichen/anerkannten Hochschulen innerhalb der Regelstudienzeit. Die Förderung ist einkommens- und vermögensabhängig (eigene Mittel + elterliches Einkommen). Elternunabhängiges BAföG ist in bestimmten Fällen möglich (z. B. längere Erwerbstätigkeit vor Studienbeginn). Aufenthaltsstatus, Altersgrenzen und Leistungsnachweis (ab 5. Semester) sind zu beachten.

Ja. Zentrale Anpassungen wie Flexibilitätssemester, höhere Bedarfssätze/Freibeträge und die Studienstarthilfe gelten seit dem Wintersemester 2024/25.

Die Wohnpauschale beträgt 380 €. In teuren Hochschulstädten wie Mainz, Trier oder Landau ist sie laut Landesregierung nicht auskömmlich. (Quelle: Drs. 18/12147)

Lea Heidbreder fordert „ein elternunabhängiges und existenzsicherndes BAföG“, damit Förderung auch dann greift, wenn elterliches Einkommen formal angerechnet wird, in der Praxis aber nicht trägt. 

Der Anteil der Miete am Studierendenbudget ist seit 1971 stark gestiegen; 2024/25 liegen Durchschnittsmieten häufig deutlich über 380 € Wohnpauschale.

Wohnkostenanteil am Studierendenbudget 1971-2025

JahrDurchschnittlicher Betrag (DM bis 2000)Durchschnittlicher Betrag (Euro ab 2001)Studierendenbudget (DM/Euro)Relativer Anteil (%)
197160 DM-420 DM19
1980130 DM-660 DM27
1990220 DM-750 DM32
2000240 DM-910 DM35
2012-323 €670 €37
2016-372 €735 €40
2021-410 €861 €44
2024-493 €934 €52
2025-500 €992 €51
Wohnkostenanteil am Studierendenbudget 1971-2025 (Bundesrepublik Deutschland)

Quellen: Destatis 2025, BAföG-Rechner.de, Deutsches Studierendenwerk 2022

BAföG-Höchstsätze 1971-2024 (DM bis 2000, Euro ab 2001, kaufkraftbereinigt 2024)

JahrDMEuroKaufkraft 2024Beschreibung
1971420-866 €Einführung BAföG als 100% Zuschuss
1972420-821 €Unverändert, 44,6% Förderquote erreicht
1973420-767 €Unverändert
1974500-854 €Erhöhung, erste Einführung Darlehensanteil 70 DM
1975580-935 €Erhöhung um 16%
1976580-897 €Unverändert
1977580-864 €Unverändert
1978620-900 €Erhöhung um 6,9%
1979620-865 €Unverändert
1980660-873 €Erhöhung um 6,5%
1981660-821 €Unverändert, Kürzungen angekündigt
1982690-815 €Erhöhung, Umstellung auf Volldarlehen
1983690-789 €Volldarlehen, Förderquote bricht ein
1984690-771 €Unverändert, Volldarlehen
1985710-777 €Kleine Erhöhung um 2,9%
1986710-778 €Unverändert
1987725-793 €Erhöhung um 2,1%
1988725-783 €Unverändert
1989750-788 €Erhöhung um 3,4%
1990750-767 €50% Zuschuss, 50% Darlehen
1991795-781 €Erhöhung um 6%, Wiedervereinigung
1992795-744 €Unverändert
1993830-743 €Erhöhung um 4,4%
1994830-724 €Unverändert
1995830-712 €Unverändert
1996845-714 €Erhöhung um 1,8%
1997845-700 €Unverändert
1998845-694 €Unverändert
1999860-702 €Kleine Erhöhung um 1,8%
2000910-733 €Erhöhung um 5,8%
2001466 €719 €Euro-Umstellung, minimal angepasst
2002466 €709 €Unverändert
2003512 €771 €Erhöhung um 9,9% nach Reform
2004512 €759 €Unverändert
2005512 €747 €Unverändert
2006512 €736 €Unverändert
2007512 €719 €Unverändert, 5 Jahre Stagnation
2008643 €880 €Erhöhung ab Oktober um 25,6%
2009643 €877 €Unverändert
2010670 €904 €Erhöhung um 4,2%
2011670 €886 €Unverändert
2012670 €868 €Unverändert
2013670 €855 €Unverändert
2014670 €848 €Unverändert
2015670 €843 €Unverändert, 5 Jahre Stagnation
2016735 €921 €Erhöhung um 9,7%
2017735 €907 €Unverändert
2018735 €891 €Unverändert
2019853 €1.020 €Erhöhung um 16,1%
2020861 €1.028 €Erhöhung um 0,9%
2021861 €997 €Unverändert
2022934 €1.012 €Erhöhung um 8,5% (WS 2022/23)
2023934 €955 €Unverändert
2024992 €992 €Erhöhung um 6,2% (WS 2024/25)
BAföG-Höchstsätze 1971-2024 (DM bis 2000, Euro ab 2001, kaufkraftbereinigt 2024)

Quelle: BAföG-Rechner.de, Deutsches Studierendenwerk, Wikipedia, Statistisches Bundesamt

BAföG-Empfänger und Förderquote 1971-2025 (Bundesrepublik Deutschland)

JahrAnzahl Empfänger:innenRelativer Anteil (%)Gesamtzahl Studierende
1971ca. 200.000ca. 30ca. 660.000
1972270.00044,6606.000
1980600.000331.800.000
1990873.000322.725.000
2000600.000212.857.000
2010560.000183.125.000
2012545.000163.400.000
2015480.000143.450.000
2018420.000133.200.000
2020430.000143.100.000
2022455.00014,53.140.000
2023470.000153.140.000
2024480.00015,33.139.000
2025485.00015,53.130.000
BAföG-Empfänger und Förderquote 1971-2025 (Bundesrepublik Deutschland)

Quellen: Destatis 2021, CHE Hochschuldaten 2025, BAföG-Rechner, Deutsches Studierendenwerk

BAföG-Empfänger:innen 1971-2025 in Rheinland-Pfalz (absolut und anteilig)

JahrAnzahl Empfänger:innenRelativer Anteil (%)Gesamtzahl Studierende
1971ca. 15.000-ca. 60.000
1972ca. 25.000ca. 41,660.000
1980ca. 18.000ca. 2572.000
1990ca. 14.000ca. 1880.000
2000ca. 19.000ca. 19100.000
2010ca. 23.000ca. 18125.000
201220.06916,6121.000
201331.200ca. 20156.000
201818.00012,8140.600
202019.80014,3138.300
202319.90012,3161.000
202423.800ca. 14,8160.000
2025ca. 24.000ca. 15159.000
BAföG-Empfänger 1971-2025 in Rheinland-Pfalz (Absolut und Anteil an Studierenden)

Quellen: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, CHE Hochschuldaten Rheinland-Pfalz, BAföG-Rechner, Deutsches Studierendenwerk